Die psychischen Folgen von Krieg, Flucht und Vertreibung - Was kann ich tun, um besser zurecht zu kommen?


 > Psychological counselling service for Ukrainian students at the University of Vienna: unisus-psy.univie.ac.at/en/home/


Was kann ich tun, um besser zurecht zu kommen?


Viele Menschen, die von Krieg, Flucht und/oder Vertreibung betroffen sind, leiden unter den dadurch hervorgerufenen psychischen Folgen. Diese Belastungen drücken sich in vielfältiger Form aus, beispielsweise:

  • Massive Unruhe und Getriebenheit
  • Schlafprobleme
  • Starke negative Emotionen (Trauer, Hilflosigkeit, Ärger und aggressive Tendenzen etc.)
  • Konzentrationsprobleme
  • Exzessives Grübeln über die Geschehnisse
  • Erhöhtes Informationsbedürfnis und problematische Mediennutzung
  • Bedürfnis die Herkunftsfamilie zu sehen/finden
  • Reaktivierung früherer Traumata (kriegsbedingt oder anderes Trauma) und damit einhergehende Symptome wie Flashbacks, Albträume etc.
  • Leistungsabfall
  • Zukunftsangst
  • Hilflosigkeit
  • Einsamkeitsgefühle
  • Sozialer Rückzug
  • Depressivität
  • Suizidalität
  • Empfindungslosigkeit
  • u.a.m.


Kaum jemand bleibt unbelastet und empfindet nicht die eine oder andere psychische Reaktion, die hier aufgelistet wurde. Manche empfinden sogar mehrere gleichzeitig. In der Psychotraumatologie werden diese ersten Reaktionen auf die überstandenen oder noch andauernden Situationen als angemessen und normal bewertet, reagieren wir doch auf Erfahrungen, für die wir keine Bewältigungsroutine habe. Krieg, Flucht und/ oder Vertreibung – auch wenn sie uns „nur“ indirekt betreffen, z.B. als Angehörige, die sich an einem sicheren Aufenthaltsort befinden, sind das Unnormale, worauf wir angemessen psychisch reagieren. Doch Vorsicht: Diese angemessenen Reaktionen haben das Potential sich sehr schnell zu verschärfen, wodurch sie zu Symptomen werden, und die psychische Gesundheit gefährden.

 

Wie bleibe ich psychisch stabil?

Ziel der folgenden Überlegungen ist es, dass Sie für längere Zeit psychisch stabil bleiben und Ihren Alltag weiter bewältigen können. Es hilft weder Ihren Angehörigen oder Freund*innen, die in der Ukraine sind, noch Ihnen, wenn Sie psychisch zu stark leiden. Es geht also um Psychohygiene. Die vorgeschlagenen Übungen ersetzen keine Psychotherapie, aber Sie helfen Ihnen dabei, mental möglichst stark zu bleiben.In einem ersten Schritt hilft es bereits, sich klar zu machen, dass man in einem Ausnahmezustand lebt, der zutiefst erschüttert. Nicht schlafen zu können, sich sehr unruhig zu fühlen, einem Wechselspiel von Trauer, Aggressivität oder dem Gefühl der Hilflosigkeit ausgesetzt zu sein, ständig an die Ereignisse in der Ukraine denken zu müssen, sich das Schlimmste immer wieder vorzustellen, ist nicht nur sehr anstrengend, sondern auch sehr verwirrend und hinderlich um einen kühlen Kopf zu bewahren. Alle oben beschriebenen Empfindungen  sind Ausdruck von massivem, traumatischen Stress. Sich dies immer wieder bewusst zu machen, d.h. die Gefühle anzunehmen ist hilfreich und sinnvoll, weil es hilft Strategien zu entwickeln, die das Ziel haben mit der Lage besser zurecht zu kommen.


Negative Gefühle zulassen:
 Erlauben Sie sich traurig, wütend, hilflos zu sein. Geben Sie Ihren Gefühlen immer wieder Raum. Lassen Sie sich nicht davon überschwemmen, sondern nehmen Sie sich bewusst Zeit dafür. Eine Unterdrückung dieser Gefühle macht sie nur stärker, wodurch die psychische Belastung steigt.


Überforderung:
 Überfordern Sie sich nicht mit Alltagstätigkeiten und konkreter Hilfe, es ist anstrengend genug, was Sie aktuell ertragen und bewältigen müssen. Gönnen Sie sich immer mal wieder kleinen Pausen, das hilft Ihnen auch körperlich nicht zu sehr zu ermüden. Je erschöpfter Sie sind, desto eher werden Sie auch psychisch verletzlich.


Unruhe, Getriebenheit, Schlaflosigkeit:
  Setzen Sie sich bequem auf einen Stuhl. Legen Sie Ihre Hand auf den oberen Bauch und atmen Sie tief ein, so dass sich Ihr Bauch bewegt, dann atmen Sie langsam aus. Zählen Sie dabei innerlich bis mindestens 5. Wiederholen Sie diese Übung mindestens drei Mal in Folge. Das kontrollierte Ein- und Ausatmen beruhigt und macht Sie stärker. Es hilft auch, wenn Sie von negativen Gefühlen überschwemmt werden. Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, ein täglicher kleiner Spaziergang hilft ebenfalls die Unruhe und Getriebenheit zu reduzieren. Richten Sie dabei Ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung, nicht auf Ihre Gefühle. Nehmen Sie bewusst wahr, was um Sie ist. Wenn Ihnen das schwer fällt, sprechen Sie laut aus, was Sie hören und sehen. Diese Übungen helfen Ihnen sich von der psychischen Belastung zu erholen und erhöhen Ihre Stabilität und Stärke.


Informationsbedürfnis: 
Informationen helfen uns dabei, ein Kontrollgefühl über unkontrollierbare Situationen zu entwickeln. Informationsbeschaffung ist daher wichtig und hilfreich, aber der Konsum von zu vielen Informationen kann auch zu einer Überforderung in der Informationsverarbeitung führen und die emotionalen Reaktionen antreiben, und zwar insbesondere dann, wenn zu viele Bilder mit sehr schlimmen Inhalten gezeigt werden. Dosieren Sie den Konsum der Informationen, indem Sie z.B. Tageszeiten festlegen, zu denen Sie sich in den sozialen Medien bewegen oder nach weiteren Nachrichten suchen. Meiden Sie Informationen aus fragwürdigen Quellen, die viele Bilder enthalten. Bilder mit schlimmen kriegsbezogenen Inhalten verstärken die negativen Emotionen, sie erhöhen damit das Risiko einer Symptomentwicklung. Ein Zuviel an Informationen hilft also nichts, sondern verschlimmert das Befinden nur und kann z.B. bewirken, dass die gesehenen Bilder im Schlaf als Alpträume zurückkehren.   


Negative Gedanken:
 Gedanken, die Ihnen zu viel Energie rauben oder Ihnen große Angst machen, können Sie beenden. Stoppen Sie sie, indem Sie sich sagen: Aus, Stopp, Halt und zwar mit kräftiger innerer Stimme. Ballen Sie dazu die Faust und denken Sie an etwas Leichteres oder fokussieren Sie sich auf Ihre nächste Aufgabe. Atmen Sie tief durch, nehmen Sie Ihre Umgebung wahr. Falls die Gedanken noch immer kreisen, wiederholen Sie diese Übung. In ein paar Tagen werden Sie gelernt haben, die negativen Gedanken zu stoppen. Je mehr Sie trainieren, desto mehr wirkt die Übung.

Soziale Verbundenheit: Traumatische Ereignisse wie jene in der Ukraine können das Gefühl von Ohnmacht, Isolation und Einsamkeit auslösen, insbesondere dann, wenn die Familie nicht zusammen ist, wenn ein Teil der Familie auf der Flucht ist, oder in der Ukraine. Unruhe, heftiges Grübeln, Verzweiflung, Trostlosigkeit, Schlafprobleme verstärken das Gefühl, ohnmächtig und allein gelassen zu sein. In dieser Situation besteht die Gefahr, aus der möglichen sozialen Verbundenheit noch weiter auszusteigen und noch mehr in Isolation zu geraten. Versuchen Sie die vorhandenen Kontakte und Beziehungen bewusst wahrzunehmen. Freundschaftliche Beziehungen „puffern“ (so nennen wir soziale Unterstützung in der Psychotraumatologie) das Risiko, mental instabil zu werden. Oft genügt es schon, sich klar zu machen, mit wem man z. B. telefonieren möchte bzw. mit wem man sprechen kann, um sich besser zu fühlen. Versuchen Sie auch den Kontakt zu Ihren Familienangehörigen weiterhin zu suchen und ihn zu pflegen. Hilfreich ist es sicher, wenn Sie versuchen, zu festgelegten Zeiten miteinander zu kommunizieren. Eine zeitliche Struktur gibt Ihnen und Ihren Lieben die Möglichkeit sich auf die Herausforderungen des Alltags zu konzentrieren, was schon schwer genug ist. Manche fragen sich auch, ob es gut ist, alles was einem bewegt, anzusprechen, z.B. „darf ich meinen Eltern/Kindern/Großeltern sagen, wie sehr ich besorgt bin, ist es schlimm, wenn ich weinen muss, oder sollte ich versuchen, möglichst stark zu bleiben?“ Jede Kommunikation, die authentisch bleibt, ist gut. Man muss für niemanden stark sein, die Stärke kann aus dem Gefühl der Verbundenheit, der Wahrnehmung sozialer Geborgenheit (wieder) entstehen. Das einzige, was eher zu vermeiden ist, sind z.B. Vorwürfe, warum jemand geblieben ist/geflüchtet ist oder ähnliches. Vorwürfe führen zum Gegenteil von sozialer Verbundenheit, sie isolieren, weil man oft nicht weiß, wie man aus der Streit-Situation wieder herauskommt. Daher: in Toleranz miteinander verbunden bleiben.

Tod und Trauer

Tod – so schwer es ist, darüber zu schreiben, ist es doch erforderlich, sich über den Tod als eine der unausweichlichen Folgen des Krieges, Gedanken zu machen. Der Verlust eines geliebten Menschen oder eines Menschen mit dem man freundschaftlich verbunden ist, ist immer schmerzlich, auch in Friedenszeiten. Viel schwieriger ist der Umgang mit dem Sterben und dem Tod im Krieg, weil er auf die Sinnlosigkeit des Krieges verweist. Selten hat man die Möglichkeit, sich in Ruhe und Würde zu verabschieden, oft weiß man auch länger gar nichts über den Tod eines geliebten Menschen, weder über die Umstände, noch über den Zeitpunkt, noch über den Ort. Aus der Trauerforschung wissen wir aber, dass ein Abschied in Würde und Ruhe einen konkreten Ort erfordert, der es einem ermöglicht, der verstorbenen Person nochmals nahe zu kommen, sich zu erinnern, und sich gemeinsam mit der Familie und den Freunden zu verabschieden. Wenn diese Möglichkeit fehlt, wird der, psychologisch betrachtet so wichtige Abschied schwieriger und kann zu einer erschwerten Form der Trauer führen. Wir sprechen dann von prolongierter bzw. komplexer Trauer. Eine Möglichkeit, das Fehlen eines konkreten Abschiedes etwas zu kompensieren, ist der symbolische Abschied. Sich symbolisch zu verabschieden bedeutet, sich ein Ritual zu überlegen, welches hilft, sich zu verabschieden. Dafür kann man z.B. gemeinsam mit Freund*innen eine kleine Zeremonie durchführen, bei der man sich an die geliebte Person erinnert, dafür kann man zu einem Ort gehen, den man auch später immer wieder besuchen kann. Die Trauer findet somit auch in der Ferne einen Ort des Gedenkens. Gläubige Menschen finden auch in der Religion und in religiösen Ritualen Trost.

Trauer bringt leider auch mit sich, dass man sich ausgelaugt und erschöpft fühlt. Neben den Klagen und den Tränen über den Verlust, ist man sehr müde, und hat oft das Gefühl, durch nichts oder durch niemanden getröstet werden zu können. Das ist eine angemessene Reaktion, die bei sehr vielen Trauerenden vorhanden ist. Diese erste Phase in der Trauer braucht Zeit, aber Vorsicht: niemand kann und muss durchgängig trauern, Erholung ist nicht nur erlaubt, sondern unabdingbar notwendig. Erlauben Sie sich Aktivitäten, die Ihnen gut tun. Erschwert wird der Trauerprozess durch die Vermischung mit den Gefühlen, die man dem Krieg gegenüber hat. Umso wichtiger ist es, sich ab und zu eine Auszeit zu erlauben, damit man psychisch stabil bleibt und den schwierigen Alltagsaufgaben nachkommen kann.

Für Kinder ist der Tod häufig unverständlich, weil sie nicht in der Lage sind, ausreichend abstrakt zu denken, aber Kinder fühlen die Trauer, sie verstehen, dass es eine Ausnahmesituation ist. Daher ist es aus psychologischer Sicht notwendig, mit den Kindern über den Tod zu sprechen und die Trauer zu teilen. Dadurch wird es möglich zu verhindern, dass Kinder z.B. denken, dass sie am Tod schuld wären, Kinder wollen teilhaben, sprechen Sie in kindgerechter Art mit den Kindern, denn für sie ist es besser, an der Trauer teilhaben zu können und darüber sprechen zu dürfen.

Depressivität: eine anhaltende negative Gestimmtheit, fehlende Energie, nachlassende Konzentration und Fokusiertheit, eine erhöhte Neigung zu weinen, reduziertes oder auch erhöhtes Schlafbedürfnis, Appetitlosigkeit oder erhöhter Appetit sowie erhöhte Gereiztheit können Warnzeichen für eine Depression sein. Krieg und Flucht bringen uns immer wieder in Verzweiflung, doch diese Verzweiflung fühlt sich „lebendig“ an, man spürt sie gut, und kann weiterhin aktiv sein, auch wenn man bisweilen (sehr) verzweifelt ist. Die Depression hingegen führt eher zu einem Abstumpfen der Gefühle, man fühlt sich quasi gelähmt, gefühlsmässig erkaltet und ist kaum fähig etwas zu tun. Bei Anzeichen einer Depressivität, sollten Sie diese Warnzeichen ernst nehmen und eine der angeführten Beratungsstellen kontaktieren: Infos für betroffene Studierende (univie.ac.at) 

Suizidalität: Nicht immer, aber doch relativ häufig geht mit der Depressivität oder Depression der Gedanke an den eigenen Tod einher. Gedanken an eine Selbsttötung oder ein Todeswunsch sind Ausdruck einer tiefen Verzweiflung mit existentieller Bedeutung. Die Gedanken oder der Wunsch können vorübergehen, sie können aber auch stärker werden. Jedenfalls sind sie Anlass, dass Sie Kontakt mit einer der angeführten Beratungsstellen aufnehmen und sich helfen lassen. Sowohl Gedanken an den eigenen Tod, oder ein Todeswunsch sind kein Grund sich zu schämen, sie kommen einfach. Derartige Gedanken sind ein deutliches Warnzeichen, sie verweisen darauf, dass die psychischen Ressourcen erschöpft sind und man Hilfe braucht. Bitte nehmen Sie diese Warnzeichen sehr ernst und suchen Sie sich Hilfe bei den angeführten Stellen: Infos für betroffene Studierende (univie.ac.at)

Umgang mit Angst

Angst ist eines der vorherrschenden Gefühle bei Menschen, die dem Krieg entronnen sind oder auf der Flucht sind. Angst ist auch für Menschen, die bereits in Sicherheit sind oder deren Angehörige (noch) im Kriegsgebiet sind, ein dominantes Gefühl. 

Angst ist grundsätzlich eine nützliche und normale Emotion, die uns warnt, wenn es gefährlich ist. Angst hilft also mit, Gefahren zu vermeiden, sodass wir uns möglichst sicher durch das Leben bewegen können. Das ist die positive und gesunde Angst. Im Krieg oder auf der Flucht ist Angst ebenfalls eine normale und angemessene Emotion, sie drückt sich vor allem als starke körperliche Anspannung aus, bemerkbar z.B. auch über starkes Herzklopfen oder vermehrtes Schwitzen, verschärfte akustische Wahrnehmung oder innere Unruhe. Auch Zittern, Atemnot, Übelkeit, ein Engegefühl in der Brust oder Schwindel können Ausdruck von Angst sein. Man ist quasi in Alarmbereitschaft und scannt mit dem inneren Radarschirm die Umgebung auf Risiken ab. Als natürliche Reaktion auf das Erkennen der Gefahr, versucht man sich selbst zu schützen, durch z.B. das Aufsuchen sicherer Orte (z.B. Luftschutzkeller) oder der Suche nach Hilfe. Angst kann also lebensrettend sein. Gleichzeitig ist das Gefühl auch sehr kräftezehrend, weil der Körper auf Alarmbereitschaft eingestellt ist. Doch der Krieg oder die Flucht erfordern es, dass man konstant wachsam ist, wodurch das Risiko entsteht, dass sich das Angstgefühl verstetigt /verselbständigt. Wir sprechen dann von einer Generalisierung. Nicht mehr nur das Erkennen von Gefahren versetzt einen in einen Angstzustand, sondern auch ähnliche Situationen wie z.B. Geräusche, die jenen der Gefahrensituation ähnlich sind. Auch kann es zu Panikattacken kommen, die sich von der ursprünglichen Gefahrensituation entkoppeln und dann scheinbar plötzlich und unvermutet auftreten. Die Symptome sind jener der ursprünglichen Angst sehr ähnlich, doch gibt es für die Panikattacke keinen ersichtlichen Grund. Sie dauern meist wenige Minuten, man vermeint sich aber in Todesgefahr. Bedingt durch das häufige Aufsuchen von Schutzräumen kann es auch in zeitlich etwas längerer Perspektive zu Platzangst kommen, z.B. ausgedrückt in der Angst vor engen Räumen oder Menschenmengen. Des weiteren besteht ein Risiko für die Entwicklung einer spezifischen Phobie, d.h. für die Angst vor einzelnen Dingen oder Situationen, die an sich nicht gefährlich sind, sich aber gefährlich anfühlen. Um diese Entwicklungen zu verhindern, ist es wichtig, dass Sie versuchen in den gefährlichen Situationen etwas Entspannung zu erreichen, indem Sie z.B. die Entspannungsübung (siehe Unruhe, Getriebenheit, Schlaflosigkeit) anwenden, d.h. langsames Aus- und Einatmen praktizieren oder sich zumindest immer wieder bewusst an das Atmen erinnern (die Luft anhalten, wie es häufig bei Angst geschieht, verstärkt die Emotion Angst): also – gegen die Angst atmen. 

Auch soziale Verbundenheit hilft, d.h. mit jemanden reden während sich die eigene Angst entwickelt, oder einfach jemanden in den Arm nehmen oder sich in den Arm nehmen lassen ist sehr hilfreich und beruhigend. 

Krankhafte Angst grenzt sich von der hilfreichen, weil lebenswichtigen Angst ab: Man erkennt es daran, dass Betroffene z.B. mehr als die Hälfte des Tages über die eigenen Ängste nachdenken, oder sich in der Bewegungsfreiheit stark einschränken, um scheinbar gefährliche Situationen zu vermeiden, oder wegen der Angst depressiv werden, oder Selbstmordgedanken entwickeln, um die Angst zu beenden, oder sich mit Alkohol, Drogen oder Beruhigungstabellen das Auskeimen von Angst zu unterdrücken versuchen, oder die Familie/Partnerschaft unter dieser Form von Angst bereits leidet. Wenn eines diese Merkmale bei Ihnen vorhanden ist, sollten Betroffene professionelle Hilfe suchen, z.B. bei eine*r Verhaltenstherapeut*in. 

Die bereits beschriebenen Formen von Angst unterscheiden sich von den Sorgen, die man sich um jemanden macht, oder von der Angst, jemand könnte im Krieg verletzt oder getötet werden. Hier handelt es sich um (große) Sorgen, die sich um geliebte Personen drehen, denen Gefahr drohen könnte oder droht. Es ist eine normale und angemessene Reaktion, insbesondere wenn man selbst in Sicherheit ist, und die geliebte Person sich noch in einer Gefahrensituation befindet. Doch auch diese Form von Angst kann sich entwickeln, so dass nahezu alle Gedanken um diese Sorgen kreisen und sehr viel Raum im Alltag einnehmen. Um dieses Sorgenkarussell zu verlangsamen oder zeitweise anzuhalten, hilft es in Kontakt zu bleiben (siehe soziale Verbundenheit) und/oder sich regelmäßig zu informieren (siehe Informationsbedürfnis). Hält Sie die Sorge Tag und Nacht wach, können Sie auch wenn Sie die Atemübung regelmäßig machen und die Gedankenstoppübung machen (siehe „negative Gedanken“), dann reden Sie über diese Sorgen mit einer Person, der Sie vertrauen, von der Sie wissen, dass sie Ihnen zuhört. Haben Sie das Gefühl, dass Sie keine Person, mit der Sie diese Gefühle und Gedanken teilen wollen, haben, holen Sie sich bitte professionelle Hilfe. Aber davor machen Sie sich bitte bewusst, dass Ihre Sorgen und Ängste der Kriegssituation angemessen sind und als normale Reaktion verstanden werden können.

Endlich in Sicherheit – wie kann am besten geholfen werden?

Angehörige, deren Familienmitglieder und oder Freund*innen die Flucht geglückt ist, fragen sich z.B. häufig, wie sie am besten mit ihren Familienmitgliedern und Freund*innen umgehen. Soll das Kriegsgeschehen angesprochen werden, oder würde dies die Traumatisierung verstärken? Was brauchen die Kinder? Darf ich meine Gefühle zeigen, oder muss ich Stärke beweisen und meine Gefühle für mich behalten? Wie kann ich am besten helfen, die traumatischen Ereignisse zu bewältigen? Wie gehe ich mit den üblichen (familiären) Konfliktthemen um? 

Ansprechen von traumatischen Ereignissen:

Traumatische Erlebnisse können nicht vergessen werden, aber die Art und Weise wie wir uns an sie erinnern, kann verändert werden. Sie können von einer quälenden Erinnerung, gekennzeichnet durch Erinnerungsdruck, dem Gefühl sich wieder in diesen Situationen zu befinden, Verzweiflung, Wut, Trauer, starker Anspannung, verbunden mit z.B. Herzrasen, Kurzatmigkeit, Übelkeit (siehe Umgang mit der Angst) zu Erinnerungen werden, die man erzählen kann ohne die beschriebenen negativen Emotionen zu erleben. In einer ersten Phase sind die Ankommenden zunächst darüber erleichtert in Sicherheit zu sein. Manche haben den Druck das Erlebte zu erzählen, manche vermeiden es darüber zu sprechen. Menschen, die erzählen wollen, brauchen Zuhörer*innen, die bereit sind sich auch schlimme Erfahrungen anzuhören. So können Sie ein Stück des Leidens teilen und etwas Erleichterung schaffen. Doch Vorsicht: das Anhören und Teilen der traumatischen Erlebnisse kann auch für Zuhörende psychologisch belastend wirken. Überlegen Sie bitte, ob Sie bereit sind und ob Sie genug Kraft dafür haben. Jedenfalls ist es wichtig, folgendes stets zu bemerken: Wenn Sie über Krieg, Flucht, Vertreibung und allen traumatischen Ereignissen, die damit verbunden sind, sprechen, nehmen Sie sich dafür Zeit, machen Sie Pausen und stoppen Sie die erzählende Person, wenn Sie merken, dass die Person zu sehr leidet, etwa nicht mehr aufhören kann zu weinen, sich ins sich selbst zurückzieht und/oder eher apathisch wirkt. Dann ist es Zeit für eine Pause, vielleicht etwas Tee oder ein Glas Wasser oder einen kleinen Spaziergang. Man sagt einfach: „Komm lass uns eine kleine Pause machen, wir sind wohl beide etwas mitgenommen, ein bisschen Erholung wird uns gut tun!“. Bitte drängen Sie die erzählende Person niemals zu sehr noch weiter zu erzählen, respektieren Sie die Grenzen. Auch wenn es Ihnen selbst zu viel wird, schlagen Sie eine Pause vor. Eine „Überdosis“ an erzählen bzw. zuhören, kann zu einer Erhöhung des psychischen Leidens führen. Wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, sich die traumatischen Erlebnisse anzuhören, so können Sie dafür sorgen, dass die Betroffenen professionelle Hilfe bekommen, indem Sie z.B. den Betroffenen erzählen, welche Angebote es gibt und dass Sie sicher sind, dass psychologisch/psychotherapeutische Hilfe sinnvoll und angemessen ist.

Personen, die eine Vermeidungstendenz zeigen, über das Geschehene zu sprechen, können viele Gründe dafür haben: es könnte z.B. sein, dass sie ihre Umgebung nicht belasten wollen, oder sie fürchten sich während des Erzählens von den negativen Gefühlen überschwemmt zu werden. Manche schämen sich wegen dem, was sie erlitten haben und fühlen sich dafür auch in irgendeiner Form verantwortlich oder gar schuldig. Scham und Schuld sind häufig auftretende Gefühle bei Betroffenen von psychotraumatischen Reaktionen, so paradox dies auch ist. Zunächst kann dieses Schweigen auch aufrechterhalten bleiben, doch längerfristig führt die Vermeidung zu einer Verschlechterung des psychischen Zustandes, denn sie verhindert die Verarbeitung der traumatischen Informationen, wodurch vermehrt traumatische Erinnerungen in Form von z. B. Bildern oder dem Gefühl sich wieder in der traumatischen Situation zu befinden, einstellen können. Bei vielen Betroffenen führt die Erfahrung in Sicherheit zu sein zu einem Gewinn an Vertrauen in sich selbst und die eigene Umwelt, dadurch wird es für sie möglich sich zu eröffnen, d.h. sie beginnen nach und nach zu erzählen. Bleibt aber die Vermeidung aufrecht, können Sie als Angehörige der betroffenen Person Informationen zu professioneller Unterstützung geben, verbunden mit dem Hinweis, dass Sie sehr besorgt sind. Senden Sie dabei eine Ich-Botschaft, d.h. „Ich mache mir große Sorgen um Dich, weil ich den Eindruck habe, Dich emotional nicht mehr zu erreichen. Ich habe gelernt, dass dies ein Zeichen für eine große psychische Belastung sein kann. Ich habe hier einige gute Informationen, wo Du Dich hinwenden kannst, wenn Du Hilfe brauchst!“. Drängen Sie die betroffene Person bitte nicht, aber machen Sie liebevoll Ihre Sorge deutlich. (Psychologische Unterstützung

Die beschriebenen Umgangsweisen helfen die Verarbeitung traumatischer Ereignisse zu unterstützen. Miteinander über die Geschehnisse zu reden, Sorgen zu teilen, Strategien im Umgang damit zu entwickeln, die nächsten Schritte zu planen, sind gelebte soziale Unterstützung. Ein authentisches Miteinander ist der beste Schutz vor langfristigen psychischen Problemen. Fühlen Sie sich dabei aber durch innere Faktoren gehemmt, holen Sie für sich selbst professionelle Hilfe. Selbst wenn Sie nicht aus dem Kriegsgebiet geflohen sind, belastet auch Sie dieser Krieg, ein paar Stunden psychologische Beratung kann Ihnen helfen, einen besseren Umgang für sich selbst und Ihre Lieben zu finden.

Traumatische Erfahrungen verschärfen in der Regel die bereits vorhandenen Konflikte in der Familie, weil die betroffene Personen in ihrem Grundvertrauen eine massive Erschütterung erlebt hat. In einer Kriegssituation, in der meist alle Familienmitglieder betroffen sind, auch wenn unterschiedliche traumatische Situationen erlitten wurden, kann es sein, dass sich dadurch die Konflikte entweder verschärfen, oder die Familienmitglieder näher zusammenrücken, weil die familiären Konflikte an Bedeutung verlieren. Letzteres ist häufiger der Fall. In jedem Streit kann man Entscheidungen treffen: man kann sich dafür entscheiden, die Konfliktthemen hintan zu halten, um mit den größeren Anforderungen besser zu recht kommen, man kann sich dafür entscheiden, die Emotionen etwas zurückzustecken, wodurch sich die Konfliktsituation entspannt. Man kann sich auch dafür entschließen, den Konflikt mit etwas Ruhe und Sachlichkeit zu mildern. Ein Streit ist bei der Bewältigung der vielen Herausforderungen eher hinderlich. 

Beachten Sie bitte folgendes im Umgang mit Ihren Angehörigen, die dem Krieg entkommen sind:

Medikamente zur Förderung des Schlafes, zur Reduzierung von Schmerzen oder Psychopharmaka sollten nur bei fachärztlicher Verschreibung eingenommen werden.

Alkohol sollte nur mäßig eingenommen werden.

Pläne, die Zukunft betreffend, sollten keine allzu lange Perspektive haben, es reicht, wenn Sie die nächste Zeit planen.

Für Kinder und Jugendliche ist ein regelmäßiger und möglichst vertrauter Alltag hilfreich.

Um die Anspannung, die auf allen lastet, zu reduzieren, orientieren Sie sich bitte an „Unruhe, Getriebenheit, Schlaflosigkeit“, sowie „Negative Gedanken“ sowie „Umgang mit der Angst“. Beides wird Ihnen helfen, ruhiger zu werden.

Drängen Sie die Ankommenden nicht dazu über das Erlebte und Erlittene zu sprechen, aber hören Sie zu, wenn jemand zu erzählen beginnt. 

Drängen Sie ihre angekommenen Angehörigen auch nicht in eine Psychotherapie, aber bieten Sie ihnen diese an, wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre Angehörigen Hilfe brauchen könnten. Senden Sie diesbezüglich eine Ich-Botschaft.

Sie dürfen sich auch erlauben, Emotionen zu zeigen, ein Teilen der Emotionen ermöglicht ein gemeinsames stärker werden, ein Verbergen schwächt Sie.

Kommt es zu Konflikten, versuchen Sie diese mit etwas Ruhe und Sachlichkeit zu lösen.

Mit Kindern über den Krieg sprechen

Für die meisten Kinder ist Krieg etwas, das sie nicht verstehen können. Sie können es nicht nachvollziehen, warum Menschen von anderen Menschen getötet werden, sie begreifen die Faktoren nicht, die zu einem Krieg führen und sie können es sich nicht vorstellen, was es bedeutet, nicht mehr sicher zu sein.

Kinder, die dem Krieg entflohen sind, haben ebenfalls keine oder kaum Worte, um zu erzählen, was sie erlebt haben und wie es ihnen jetzt geht. Meist wenden sich Kinder an ihre Angehörigen, wenn sie ratlos sind, sich hilflos fühlen oder etwas einordnen wollen. Auch die erwachsenen Angehörigen sind vom Krieg betroffen, sie sind traumatisiert, erschöpft und fühlen sich bisweilen hilflos.

Was ist also zu beachten, wenn Kinder über den Krieg und die Flucht reden wollen?

Bereiten Sie sich vor: Eltern können sich am besten vorbereiten, indem sie ihre eigenen Gefühle und Gedanken klären. Reden Sie am besten mit einer Person, der Sie vertrauen über alles was Sie bewegt, sodass Sie Ihre eigenen Emotionen etwas kontrollieren können. So können Sie die Emotionen des Kindes eher wahrnehmen.

Beginn des Gesprächs: Fragen Sie Ihr Kind, was es weiß und was es wissen möchte. Erfragen Sie die Gefühle und Gedanke des Kindes, gehen Sie bitte nicht davon aus, dass Sie wissen, was es fühlt oder denkt. Die Gefühle und Gedanken von Kindern in Bezug auf Krieg, Flucht und Exil unterscheiden sich von jenen der Erwachsenen. Lernen Sie daher bitte die diesbezügliche Gefühls- und Gedankenwelt kennen. Nehmen Sie diese Gefühle ernst, stellen Sie sie bitte nicht in Frage. 

Aufklären und informieren: Wenn Sie herausgefunden haben, was Ihr Kind versteht und bewegt, können Sie Missverständnisse aufklären, z.B. dass auch im Exil ein Krieg beginnen könnte. Versichern Sie dem Kind, dass es hier in Sicherheit ist. Viele ungefilterte Informationen verunsichern die Kinder noch weit mehr als die Erwachsenen, teilen Sie mit Ihren Kindern nur gesicherte Informationen und limitieren Sie den ungefilterten Zugang zu Informationen in den sozialen Netzwerken. Wenn Sie eine Frage nicht mit gesicherten Informationen beantworten können, ist das in Ordnung, Sie müssen und können nicht alles wissen.

Sicherheit geben: Nach vielen Tagen der Flucht und somit der Unsicherheit und dem Gefühl des Kontrollverlusts brauchen Kinder immer wieder die Versicherung, dass sie in Sicherheit sind. Auch der Hinweis auf die vielen Hilfsaktionen, können den Kindern Sicherheit geben. Erklären Sie den Kindern, was alles getan wird, um den Betroffenen im Kriegsgebiet zu helfen und was alles getan wird, um den Krieg zu beenden. Wollen Kinder selbst helfen, besprechen Sie mit den Kindern, welche Hilfe sie leisten können, z.B. könnten Kinder gute Gedanken an die Familienmitglieder schicken, die im Kriegsgebiet sind. 

Wenn Kindern unbemerkt den Gesprächen der Erwachsenen zuhören, können sie bisweilen Informationen, die in diesen Gesprächen thematisiert werden, missverstehen oder die Bedeutung nicht erfassen. Kinder vervollständigen dann für sich das Gehörte, bis sie es für sich einordnen können. Sie „reimen“ sich etwas zusammen, was sie belastet oder verunsichert oder ängstigt. Achten Sie daher bitte darauf, ob die Kinder zuhören können oder beziehen Sie sie in die Erwachsenengespräche mit ein. 

Bleiben Sie geduldig: Kinder brauchen mehrere Gesprächsrunden, um begreifen zu können, was passiert ist, nehmen Sie sich immer wieder Zeit für die Gespräche über den Krieg. Die durch den traumatischen Stress ausgelösten Probleme im Verhalten und/oder in der Konzentration sind angemessene Reaktionen auf die Kriegs- und Fluchterfahrungen. Je mehr innere Sicherheit das Kind zurückgewinnt, desto stärker gehen diese Probleme zurück. Haben Sie Geduld, versuchen Sie so gut Sie es können, fürsorglich, liebevoll und freundlich zu bleiben. 

Einordnung der kindlichen Reaktionen nach Altersstufen

Vorschul- und Schulalter

Die Kinder erleben sich hilflos und sind unsicher, sie sind daher stark verängstigt. Diese Angst bezieht sich auf sehr viele Aspekte des Lebens. Aufgrund ihrer Entwicklung ist es ihnen nicht gut möglich, ihre Ängste klar auszudrücken und ihre Emotionen zu beschreiben. Angst und Hilflosigkeit zeigen sich vor allem im Verlust von Fähigkeiten, z.B. fällt es ihnen schwer, alleine im Kindergarten oder der Schule zu sein, sie wollen ihre Eltern nicht gehen lassen. Sie erscheinen sehr anhänglich und wollen nichts mehr alleine machen, wie z.B. alleine etwas spielen. Auch Einschlafen und alleine schlafen ist für viele schwierig oder gar unmöglich. Alpträume oder Aufschrecken während der Nacht ist ebenfalls ein Ausdruck von Angst und Hilflosigkeit. In der Sprach- und Sauberkeitsentwicklung können sich ebenfalls Probleme zeigen, so reduzieren z.B. manche Kinder ihre verbale Kommunikation oder verstummen. Nächtliches Einnässen kann ebenfalls wieder auftreten. Manche Kinder spielen die traumatischen Situationen nach, um sie zu verarbeiten, wobei das traumatische Spiel sich oft auf einzelne Situationen bezieht, die wieder und wieder nachgespielt werden, und es selten zu einem „positiven“ Ausgang kommt, d.h. die negativen Folgen der traumatischen Situation werden durch das Spiel kaum verändert. 

Älteres Schulalter

Kinder in dieser Altersphase sind sehr besorgt über die eigene Sicherheit und die Sicherheit anderer. Es kann zu Scham- und Schuldgefühlen kommen, die sich auf das eigene Handeln während der traumatischen Situationen beziehen, z.B. weil sie in Situationen mit größter Furcht eingenässt haben oder geweint haben. Sie können das traumatische Ereignis erzählen und ihre Gefühle erzählen. Kinder in diesem Altern können ebenfalls unter Ein- und Durchschlafschwierigkeiten sowie unter Alpträumen leiden. In der Schule kann es zu Konzentrationsproblemen kommen, ebenso zu einem Leistungsabfall. Auch können sie unter Bauch- und Kopfschmerzen leiden, die keine körperliche Entsprechung haben. Bei manchen Kindern äußerst sich die Angst und Hilflosigkeit in aggressiven Verhaltensmuster. 

Jugendliche

Nicht immer sind sich Jugendliche ihrer emotionalen Reaktionen auf die traumatischen Situationen bewusst, d.h. sie können nicht immer einen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten, ihrer emotionalen Befindlichkeit mit dem Erlittenen herstellen. Sie können sich „unnormal“ empfinden, wobei dieses Gefühl durch den für Jugendliche typischen Vergleich mit anderen Jugendlichen noch verstärkt werden kann. Sie fühlen sich anders und ausgeschlossen und ziehen sich noch zusätzlich aus dem sozialen Verbund zurück. Anderen Jugendlichen gegenüber können sie Rache- und Vergeltungsphantasien äußern, wodurch sie auch anfällig für extreme Weltanschauungen werden und ihre Einstellungen radikal ändern. Auch kann der (starke) Wunsch entstehen, in den Krieg zu ziehen, wobei sie Argumente, die sich auf ihre Gesundheit beziehen, nicht akzeptieren. Auch andere selbstzerstörerische und riskante Verhaltensweisen können auftreten (z.B. Alkohol- oder Drogenkonsum, Selbstverletzung…). 

Zusammenfassung

Erleben Kinder traumatische Situationen ist die gesamte Familie bzw. vertraute Bezugspersonen betroffen. Die emotionalen Reaktionen von Kindern und Jugendlichen können sich stark von denen ihrer Angehörigen und Bezugspersonen unterscheiden. Daher ist es für die Erwachsenen sehr wichtig, die eigenen emotionalen Zustände zu erkennen, damit die der Kinder und Jugendlichen wahrgenommen werden können. Das Erkennen der eigenen Emotionen und der der Kinder und Jugendlichen ist ein wesentlicher Schritt aus den traumatischen Reaktionen heraus, weil man sich gegenseitig unterstützen kann mit den Gefühlen besser zurecht zu kommen. 

  • Emotionale Reaktionen und Symptome nach dem Überleben von traumatischen Situationen sind normale und angemessene Reaktionen auf unnormale Situationen.
  • Ist man außer Gefahr, sollte man versuchen die eigenen Lebensumstände zu stabilisieren und für die Kinder und Jugendlichen wieder einen geregelten Tagesablauf herzustellen.
  • Die anfänglichen emotionalen Reaktionen und Symptome können sich in einer sicheren Umgebung auch wieder von selbst zurückentwickeln. Geschieht dies nicht, braucht es eine professionelle psychologische Unterstützung (psychologische Hilfsangebote).
  • Gewähren Sie den Kindern und den Jugendlichen (wenn sie es wollen), soviel Kontakt wie möglich. 
  • Nützen Sie für sich selbst den Kontakt zu anderen Erwachsenen, zu Hilfsorganisationen oder zu Gemeinschaften (siehe soziale Geborgenheit).
  • Schützen Sie die Kinder, die Jugendlichen und sich selbst vor übermäßigem Konsum von Nachrichten aus den sozialen Netzwerken.
  • Nehmen Sie die üblichen Rituale, die Sie zuhause ausgeübt haben wieder auf, z.B. das Erzählen einer Gute-Nacht-Geschichte oder das gemeinsame Essen. 
  • Versichern Sie den Kindern und Jugendlichen, dass sie zusammen bleiben, es hilft Ihnen und den Kindern und Jugendlichen zu wissen, dass sie zusammen sind, auch wenn nicht wieder alles in Ordnung ist.

(Quelle: NCTSN: after a crisis helping young children heal.pdf (nctsn.org), adaptiert von Brigitte Lueger-Schuster)


Brigitte Lueger-Schuster
Professorin für Psychotraumatologie am Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie der  Universität Wien

Psychologische Unterstützung für Studierende in Krisensituationen